Sonntag, 1. Juni 2014

Schreibwerkstatt - ein satirisches Hörspiel (Teil 3)

Droste: Ein nettes Gedicht, hat das Zeug zum Volkslied, etwas für Männerchöre. Aber, wenn ich das anmerken darf, ich weiß nicht, ob Poesie das geeignete Medium ist, ich meine für Ideen. Ein Roman mit dem Thema wäre vielleicht das passendere Medium.
Heine: Ein Roman über die Loreley?
Droste: Nicht nur, versteht sich. Die Gefahren der Schifffahrt könnten in die Handlung eingeflochten werden, die Entbehrung des Lebens auf dem Wasser und natürlich könnte die Doppelnatur des Wassers als thematischer Faden sich durch den Roman ziehen. Die vivifizierende Kraft des Wassers, aber auch seine letale Unerbittlichkeit. Ja, ganz allgemein die allzunatürliche Nachlässigkeit der Natur gegen menschliches Wollen und Wirken. Ich will hier gar nicht ausmalen, was sich aus der verführerischen Macht der Musik alles machen ließ … Ja, ein großer Roman, aufgeladen mit Philosophie und sozialer Geschichte, die Mühsal der Armen, die Verpflichtung des Geldes, die Natur der Gefühle, die Ethik des Siegers und die Zähmung der Natur. Ich sage nur: Gefahrenbegradigung! Flussbegradigung!
Schwanenfeder: Eine literarische Herausforderung, Herr Droste. Und sagen Sie uns Herr, Herr, öhm, Herr Grimm, wie singt die Loreley für Sie?
Grimm: (begeistert, Worte verdoppelnd) Ich denke, sein Gedicht ist von betörender Schönheit, ..törender Schönheit. „Ein Märchen aus uralten Zeiten geht mir nicht aus dem Sinn, aus dem Sinn“. Schlicht, aber schön, die Wendung, dazu in höchster Harmonie mit der Verführungsmacht der sexualmusikalischen Nixe, Nixe. Ach was sage ich, es gibt nur vollkommene Verse in diesem Meisterwerk, egal welchen ich herausgreife, in der Hand halte ich poetisches Gold, Gold. Schon der ambivalente Auftakt schickt ein Hautkräuseln die Wirbelsäule rauf und runter. Achten Sie einmal darauf, meine Dame, meine Herren: „Ich weiß nicht was soll es bedeuten, / Dass ich so traurig bin, traurig bin“. Diese göttliche Offenheit der Anfangsverse! Und wie Herr Heine es versteht die Kontraste zu verstecken, die doch so wunderwirksam an unserer Seele zupfen, wie hinterrücks und heimlich sie auch daherkommen mögen. Im „kleinen Schiffe“ wird der Schiffer von „gewaltiger Melodei“ gepackt und ist dem Tode geweiht, Tode geweiht. Ja, Herr Droste, Philosophie steckt auch drin in dem Wunderpoem, aber nicht die Philosophie des Siegers, sondern es spricht von der Philosophie der Schönheit, denn „wer die Schönheit angeschaut mit Augen, ist dem Tode schon anheim gegeben“. War es nicht Platon, der das sagte? Ja, ja eine ganze Philosophie der Schönheit und Verführungskunst steckt in dem genialen Gedicht, genialen Gedicht. Ein wundersam, wundervolles Werk, Herr Heine. Meine, unsere Gratulation.
Schwanenfeder: Unsere?
Heine: Danke, vielen Dank.
Schwanenfeder: Und nun Sie, Herr Goethe.
Goethe: Nein!
Schwanenfeder: (verstört) Herr Goethe, wie bitte?
Goethe: Nein, ich bin die Kraft, die stets verneint. Nein!
Schwanenfeder: So, so. Nun gut! Und Sie Herr Nietzsche, haben Sie etwas zu dem Gedicht zu sagen?
Nietzsche: Ja, das habe ich allerdings. Mein lieber Heine, was bei Ihnen so naturgewaltsam daherkommt, die Macht des Weibes, die Macht des Gesangs, jenen Mächten muss mannhaft getrotzt werden. Du gehst zu Frauen, lieber Heine, vergiss die Peitsche nicht, so lautet meine Philosophie. Ihr Schiffer ist ein sanfthäutiger Schwächling, der sich dem Weibe mir nichts dir nichts ergibt statt mit Dynamit um sich zu werfen, bis um ihn her das Wasser kocht und zischt. So wird die süße Gewalt des Weibes gebrochen, denn das Weib will herrschen. Und noch eines Herr Heine, was bei Ihnen im tragischen Bild des Untergangs rundweg verharmlost wird, muss als die Gefahr überhaupt entlarvt werden. Denn! Jeder Umgang, der nicht hebt, zieht nieder, und umgekehrt; deshalb sinken gewöhnlich die Männer gewaltig nieder, wenn sie Frauen nehmen, die den Männern den Saft aussaugen, an ihren Körpern kleben und sie auslutschen wie Maden und Schnecken und anderes Schleimgetier.
Grimm: Jetzt aber mal halblang, mein Freund. Ohne Frauen wäre das Leben ein Irrtum, ein Irrtum.
Nietzsche: Ach, wie arg- und ahnungslos Sie sind. Ohne Musik, meinetwegen, ja, das Leben wäre ohne Musik ein Irrtum, aber ohne Frauen, nein, nein, lächerlich! Bitte sehr, Herr Grimm, schließen Sie Ihre Augen ruhig, aber Frauen sind parasitäre Wesen, Blutegel, wie Schlingpflanzen schlagen sie ihre saugenden Näpfe in die Falten und Furchen des Lebens. Ach Sie Ahnungsarmer! Würde der Grund des Lebens nicht selbst zerstört, abgeschafft gehörten die Weiber. Ein Hoch auf die Autogenese!
Heine: Welch eine trübe und trostlose Vorstellung, Herr Nietzsche.
Nietzsche: Ach liebes Heinchen, was wissen Sie denn?

Fortsetzung folgt
Kommissar Max Berger muss einen ersten Mord lösen, zu dem es viele Zeugen, aber weder Spuren noch Motive gibt. Professor Liedvogel ist während einer Vorlesung erschossen worden. Der zweite Mord ist grässlicher als der erste und führt Max Berger und seine Assistentin Clarissa Klabund in die Skinhead-Szene. Wer grotesken Humor mag, der wird schmunzeln, wenn nicht lachen über den halbverrückten Buchhändler Bernhard Schwarz.

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