Samstag, 21. Juni 2014

Schreibwerkstatt - ein satirisches Hörspiel (Teil 10)

Nietzsche: Aber ja doch, eine Frau. Wie war doch noch gleich der Name, mein Mädchen?
Droste: (beginnt zu schluchzen, ab hier weibliche Stimme) Annette. (noch leiser)von Droste-Hülshoff.
Nietzsche: Dann würde ich Annette v. Droste-Hülshoff empfehlen zu ihrem Putz und ihrer Häkelei zurückzukehren, zur Puderquaste und gepressten Blümchen, zu ihrem Gatten, wenn sie glücklich genug ist einen zu haben bei dem Zinken, den Pferdezähnen und den eingefallenen Wangen. Und das Schreiben überlässt sie besser denen von uns, die was von der Kunst verstehen und von der Welt.
Droste: (weint leise und hilflos)
Schwanenfeder: Ich muss deutlich widersprechen, Herr Nietzsche. Die Frauen von heut …
Nietzsche: (ungeduldig) Ach was, wir haben reichlich Zeit vergeudet mit diesem elenden Thema. Ich will endlich über meinen Zarathustra sprechen.
Schwanenfeder: (gibt nach) Nun gut, es ist schon spät. Wenn Sie keinen Einwand haben, Herr Droste, öhm, Frau v. Droste-Hülshoff?
Droste: (herzerweichendes Schluchzen) Aber Friedrich, du hast gesagt. Wir wollten. Du und ich nach Venedig und über das Dasein tänzeln. Deines Vaters Ring und die Nase deiner Mutter. (Sie zieht die Nase hoch) Aber machen Sie nur Frau Schwanenfeder.
Schwanenfeder: Gut, sehr gut. (Sie blättert in ihren Unterlagen) Nun Herr Nietzsche, für den Anfang nur zwei, drei Punkte.
Heine: (fährt plötzlich dreimal hoch und deklamiert laut) Ein Fräulein stand am Meere. (Er schnarcht wieder) Wenn der Mond beginnt seinen Strahlenlauf (Er schnarcht) Im traurigen Monat November war’s. (Er schlummert weiter)
Schwanenfeder: Ja, Herr Heine? (Pause) Herr Heine!
Heine: (aufgewacht) Wer ist der Harlequin?
Schwanenfeder: Möchten Sie etwas über Herrn Nietzsches Zarathustra sagen?
Heine: (kommt zu sich, vom Laudanum milde gestimmt und ungewöhnlich freundlich) Ja, sein Zarathustra. Na ja, nicht unbedingt meine Welt, das wohl nicht. Aber Nietzsches Werk ist eine Offenbarung, in dem Sinne, dass plötzlich, mit unsäglicher Sicherheit und Feinheit, etwas sichtbar, hörbar wird, etwas, das einen im Tiefsten erschüttert und umwirft, beschreibt einfach den Tatbestand. Es gibt keine Weisheit, keine Seelen-Erforschung, keine Kunst zu reden vor Zarathustra: das Nächste, das Alltäglichste redet hier von unerhörten Dingen. Die Sentenz vor Leidenschaft zitternd; die Beredsamkeit Musik geworden; Blitze vorausgeschleudert nach bisher unerratenen Zukünften. Die mächtigste Kraft zum Gleichnis, die bisher da war, ist arm und Spielerei gegen die Rückkehr der Sprache zur Natur der Bildlichkeit. Die stillsten Worte sind es, welche den Sturm bringen, Gedanken, die mit Taubenfüßen kommen, lenken die Welt. Also spricht Heinrich Heine, ein Hoch auf den Zarathustra und seinen Propheten, öhm seinen Schöpfer. Gut gemacht Herr Prophet, ich meine Nietzsche, sehr gut mein Freund. (Er gähnt)
Schwanenfeder: Sehr wohlwollende Worte, Herr Heine.
Nietzsche: Ach was, gönnerhaft, herablassend und gespickt mit versteckten Beleidigungen. Fragen Sie jemand anderes.
Schwanenfeder: Ja natürlich. Herr Droste, Frau v. Droste Hülshoff, Ihre Meinung zu Herrn Nietzsches Zarathustra.
Droste: Ich, ich… (versucht zu sprechen, beginnt zu schluchzen)
Grimm: Frau v. Droste-Hülshoff, meine Liebe.
Droste: (sie weint weiter)
Nietzsche: Keine Sorge. Frauenprobleme, die Zeit des Monats blah, blah, blah! Sie erwähnte es in der Kaffeepause.
Grimm: Hat sie? Hat sie?
Schwanenfeder: Verstehe. Gut, Herr Goethe würden Sie bitte?
Goethe: Nein!
Schwanenfeder: Aha, in dem Fall, Herr Grimm?
Grimm: Danke schön. (Pause) Tja, Nietzsches Zarathustra. Will mal so sagen, so sagen, ich fand Herrn Nietzsches Zarathustra bezaubernd. Ja, ganz köstlich. Burlesk, ulkig, schnurrig, richtig süß, richtig süß. Sie haben eine seltene Gabe, Herr Nietzsche.
Nietzsche: (erschüttert und empört) Wie, was, das ist Ihre Meinung?
Grimm: Ja, Herr Nietzsche. Absolut super. Etwas für die ganze Familie, ganze Familie. Ja, wir haben es vorgelesen, ich und meine liebe Frau für die Kinder, für die Kinder. Solch ein gesunder Atem verglichen mit all der Abgefucktheit und dem Zynismus, Zynismus unserer Zeit.
Nietzsche: (wütend) Mir das, das mir!
Grimm: Es ist ein Soufflé, zergeht auf der Zunge, nicht befrachtet mit gewichtigen Ideen oder Theorien, voller göttlicher Absurditäten und verbaler Purzelbäume, Purzelbäume.
Nietzsche: (wütend) Grimm, welche ein blühender Blödsinn. Mein Zarathustra gegen alles gehalten, Dante, Shakespeare, Aristoteles sind nicht einmal würdig, die Schuhsohlen eines Zarathustras zu küssen. Man rechne den Geist und die Güte aller großen Seelen in Eins: alle zusammen wären nicht im Stande, eine Rede Zarathustras hervorzubringen. Die Leiter ist ungeheuer, auf der er auf- und niedersteigt; er hat weiter gesehn, weiter gewollt, weiter gekonnt, als irgend ein Mensch. Er widerspricht mit jedem Wort, dieser jasagendste aller Geister; in ihm sind alle Gegensätze zu einer neuen Einheit gebunden. Die höchsten und die untersten Kräfte der menschlichen Natur, das Süßeste, Leichtfertigste und Furchtbarste strömt aus einem Born mit unsterblicher Sicherheit hervor.
Grimm: Und welch intelligenten Kalauer.
Nietzsche: (außer sich) Kalauer! Kalauer! Grimm, Grimm ich fordere Sie…
Fortsetzung folgt
Curry, Senf und Ketchup (Krimi)
Ein Universitätsprofessor wird ermordet, ein Neonazi und eine Politikerin. Was verbindet die drei? Und ein Fußballtrainer wird verdächtigt.
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