Sonntag, 30. März 2014

Gründe zur Heiterkeit

Die Medien werden von Schwarzsehern beherrscht.
Sie stapeln Gründe über Gründe, ihren Zukunftspessimismus zu belegen. Irgendetwas geht immer unter, irgendeine Errungenschaft des Abendlandes, wenn nicht gleich das gesamte Abendland.
Ist es da nicht erfreulich, dass es einzelne Menschen gibt, die heiter in die Zukunft blicken, weil sie sehen, dass die meisten schwarzen Prognosen in der Zukunft nicht ankamen? Offenbar blieben sie auf ihrem Weg aus der jeweiligen Gegenwart in die prognostizierte Untergangszukunft auf der Strecke. Ist es naiv aus vergangenen Erfahrungen abzuleiten, dass sie auch in der Zukunft gelten werden. Schon möglich.
Denn dieses Mal ist alles ganz anders. Dieses Mal funktioniert, was in der Vergangenheit nicht funktioniert hat: der Untergang. Ganz bestimmt! Und so blinzeln die Untergangsfreunde und sind glücklich.
Ich denke, es wird nicht schaden immer mal wieder jemandem das Ohr zu leihen, der eine freundlichere Melodie pfeift als die Anbeter des Untergangs.
So einer ist Matt Ridley, der das Folgende zu bedenken gibt.


Die letzte Lektion
Der Mörder wartet nicht, bis ein Lehrer aufzeigt. Im Nu sind einige Lehrer in die ewigen Ferien verabschiedet worden. Warum gerade Lehrer? Stimmt, Bankmanager hätten es auch getan, aber es sind halt Lehrer geworden.
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Samstag, 29. März 2014

„Elfmeter” (letzter Teil)

aus: Nacktes Entsetzen (9 Geschichten)
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Dann war es still. Nur sein Herz schlug noch im Ohr. Niemals werden sie vergessen, wie ich den Ball, schon geschlagen, mit den Füßen aus dem Tor trete. Habe mich zwar in die falsche Ecke schicken lassen, doch mit dem Geschickten ist das Glück. Auf!
Die Hauruckmethode war absolut sicher. Nur keine Rückenlage und Flugzeug vom Himmel holen. Sein Sohn sollte es mal erzählen können: Vater, Elfmeter, Tor.
Den vierten Schützen hatte er gefragt, hast du schon mal auf eine Bananenschale getreten? Das Gesicht! Siehst du denn nicht all die Bananenschalen, die um den Punkt herumlungern und dir zugrinsen?
Nicht länger konnte er der Stille standhalten, warf seinen Oberkörper nach vorn und auch die Beine folgten, waren ganz leicht jetzt, ging alles ganz schnell jetzt. Nun endlich Leere da oben.
Er läuft an. Die Stellung des Fußes, der Hüfte. Ach was, noch einen Schritt, dann fliege ich in meine Lieblingsecke.
Warum springt er denn nicht. Spring endlich! Mach die Ecke frei! Dann knackender Schmerz im Knöchel des Standbeins. Und doch! Schnurstracks wie am Schmerzpfeil entlang fliegt der Ball in die angewiesene Richtung. Der Ball, die Latte, die Linie…
Da kommt der Ball, ist schon da. Wenn nur die Schwerkraft nicht wäre. Scheiße, zu hoch, viel zu hoch, so was hältst du nur mit der freundlichen Unterstützung des Schicksals — der Latte.
„Tor!“, brüllte er. Und noch zweimal: „Tor!, Tor!“
Alle Zuschauer hatten die Hände ganz oben im Himmel, aber nur die eine Hälfte jubelte: „Tor! Tor!“ Der Torhüter schüttelte den Kopf, schaute zum Schiedsrichter und sagte: „Linie!“ Und irgendwo fragte ein Reporter leise: „Hat das denn nie ein Ende?“
Ende

Curry, Senf und Ketchup — Friedrich Wulf
Kommissar Max Berger muss einen ersten Mord lösen, zu dem es viele Zeugen, aber weder Spuren noch Motive gibt. Prof. Liedvogel ist während einer Vorlesung erschossen worden. Der zweite Mord ist grässlicher und führt Berger in die Skinhead-Szene.
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Freitag, 28. März 2014

„Elfmeter” (vierter Teil)


„Elfmeter” (vierter Teil)
aus: Nacktes Entsetzen (9 Geschichten)
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Wie schießen? Mit der Seite schieben oder den Torwart mit ins Netz ballern. Wie Messi gestern gegen Italien. Täuschte an und verheimlichte, wohin er seinen Siegesstoß senden würde. Wickelte seinen Fuß im letzten Moment um den Ball. Der Torhüter als dummer Junge in der falschen Ecke. Wie käme das an? Mit einem Trippelschritt den Anlauf verzögern. Der nasse Sack da plumpst auf die Linie und ich tippe den Ball ganz beiläufig mit der Fußspitze an, dass er in die leere Ecke hoppelt, in die mit groteskem Krabbeln der Kerl vergeblich zu kommen sucht. Wie sie meine Kaltschnäuzigkeit preisen werden.
Aha, er trippelt sich locker auf der Stelle. Gleich wird er zum Helden, aber zum tragischen. Ist ja eigentlich von Vorteil den Ball ordentlich zu versemmeln. Die Elfmeter-Versager sind es, Hoeness, Baggio, Beckham, die erinnert werden, viel mehr als die erfolgreichen Schützen. Also mach’ dir einen Namen, treib die Pille übers Tribünendach. Damit schlägst du dauerhaft in die Zuschauerköpfe ein.
Vor zwei Jahren gebrochen und jetzt war er wieder kalt und taub, verfluchter Zeh. Egal! Ein Schlenzer halb hoch in die Ecke gesetzt, dicht an den Pfosten. Da kommt er nicht dran. Mache das wie nach dem Lehrbuch, entscheide nicht im letzten Moment, sondern jetzt.
Er lächelte. Dem zweiten Schützen hatte er zugeraunt, komm lass uns wetten. Ich setze meinen BMW. Was hältst du dagegen? Um den Mund herum hatten bei dem spöttische Falten gezwitschert, aber die Pupillen waren blass geworden vor Angst.
Kam jetzt nur auf die Härte des Schusses an. Wie lange kann ich eigentlich warten, bevor mich der Schiedsrichter ermahnt? Ich warte, bis der einen Krampf kriegt in seiner Lauerstellung. Aber je mehr Wucht ich in den Schuss lege, desto schwieriger ist die exakte Platzierung. Ein ehernes Gesetz des Fußballs. Und meinem Sohn flattert nach einem Vierteljahrhundert noch die Erinnerung in den Schoß. Niemals gaben sie Ruhe.
fünfter und letzter Teil morgen

Taten ohne Täter
Theo Kremer unterrichtet Englisch an einer Schule, an der erwachsene Schüler ihr Abitur nachholen. Theo gehört zum üblichen Zoo von Lehrern und ist gesegnet mit einem robusten Ego. Doch dann widerfahren ihm Dinge, die er nicht erklären kann.
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Bergers Weltbild

Habe durch Zufall ein Bild gefunden, das ziemlich genau trifft, wie Kommissar Max Berger die Stadt sieht.
Aus dem Roman “Curry, Senf und Ketchup”
Während des längsten Teils der Strecke hielt Max die Augen geschlossen, er wollte die verwackelten Autos und Bäume nicht sehen und auch nicht die Gebäude, die in ihrer Protzsucht plötzlich so taten, als wären sie von Gehry erbaut worden.
Was war von einer verwackelten Stadt zu halten, die am Ende wohl nur noch aus Nebelklecksen und bunten Nebelbänken bestehen mochte? In so was kann man doch nicht leben!
Curry, Senf und Ketchup — Friedrich Wulf
Kommissar Max Berger muss einen ersten Mord lösen, zu dem es viele Zeugen, aber weder Spuren noch Motive gibt. Prof. Liedvogel ist während einer Vorlesung erschossen worden. Der zweite Mord ist grässlicher und führt Berger in die Skinhead-Szene.
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Donnerstag, 27. März 2014

Dritter Teil der Geschichte „Elfmeter”





Dritter Teil der Geschichte „Elfmeter”
aus: Nacktes Entsetzen (9 Geschichten)
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So, sachte und ruhig. Nun ganz entspannt, noch ein Blick in den rechten Winkel und einen in die linke untere Ecke. Dann gemächlich umdrehen. Hoeness, lass mich in Ruh! Nicht an die Zukunft denken. Ich weiß, ich weiß, wenn ich ihn schlimmer vermurkse als du 1976, dann brauchst du dich nie mehr zu schämen. Meine Schande wird alles Frühere überdecken mit tausend gestochen scharfen Bildern. Was sind dagegen die ewig wiederkehrenden aus jener verwischten Zeit? Knallte einer von uns mal wieder so einen Auf-Leben-und-Tod-Ball in die internationalen Wolken, wurde die Wunde Hoeness erneut aufgerissen. Niemals geben sie Ruhe. Mit aller Macht drängte sich ihm das Wort „Wolkenkratzer“ auf, Fragment der morgigen Schlagzeile in der blöden Zeitung. Schon wieder die Stimme seines Vaters: Denk dran, bevor du anläufst, konzentriert auf den Boden schauen und zählen: 21, 22, 23… Und die Krankenhauseinlieferungen stiegen um 27 Prozent. Mit Herzinfarkten war zu rechnen, unter den Männern. Frauen reagierten gelassener.
Noch fünf Sekunden. Jetzt Spannung aufbauen für den Sprung. Auf die Fußstellung seines Standbeins beim Schuss achten. Die Stellung des Fußes verriet die Schussrichtung, war alles nur eine Frage der Wahrnehmung. Anschließend auf die Knie fallen und die Hände zum Himmel. Dank, Erlösung! Der Rest wird Geschichte und Legende. Erhaben, einsam, unbeteiligt, so schreitet der Held des Fußballtors durch die Straßen, verfolgt von hingerissenen kleinen Jungs. Die andern sind Team, sind Kollektiv. Die Eins ist Gegenstand verzückter Verehrung. Mein Trikot, meine Baseballmütze, die Handschuhe, die aus der Gesäßtasche meiner kurzen Hose schauen, heben mich von der übrigen Mannschaft ab. Ich bin der Einsame, der Geheimnisvolle, der letzte Verteidiger.
Kurzer oder langer Anlauf, das war die Frage. Vorher schauen sie sich immer Videos an. Achten auf jede Bewegung, in welche Ecke wir schießen. Kennen jede Geste besser als man selbst. Wenn ich alles so mache wie üblich, springt er in meine todsichere Ecke. Aber da liegt der Hase im Pfeffer. Er wird vermuten, dass ich alles genauso wie immer mache und in meine ungeliebte springen, weil er mir unterstellt, dass ich weiß, dass er weiß. Nee, nee, mein Freund, den Gefallen tu ich dir aber nicht, ich schieße in meine todsichere, weil du meinst, ich würde in die andere schießen. Doch wenn er nun meint, ich würde in meine Lieblingsecke schießen, weil ich ihm unterstelle, dass er mir unterstellt, ich würde in meine ungeliebte Ecke schießen. Moment mal, wer unterstellt jetzt wem was?
Er dreht sich um, hat den langen Anlauf gewählt. Schießt also mit dem Hammer. Oder er hält auf halbem Wege inne, hoffend ich würde schon springen. Dann schiebt er den Ball aufreizend langsam in die freie Ecke. Nicht mit mir, mein Freund. Habe das Märchen unter die Medien gestreut, würde mir jeden Elfer eine Million mal auf Video ansehen. Haben sie gern, haben was zu dichten, die Idioten. Und verunsichert die Schützen. Ich springe erst, wenn der Fuß deines Standbeins mir die Richtung des Balles erzählt. Auf den geschossenen Ball reagieren geht nicht. Der ist in 51 Millisekunden hier, so schnell springt kein Mensch. Aber das Standbein und die Stellung der Hüfte verraten mir die Flugbahn. Worauf wartet der noch, los lass gehn!

vierter Teil morgen




Die letzte Lektion
Der Mörder wartet nicht, bis ein Lehrer aufzeigt. Im Nu sind einige Lehrer in die ewigen Ferien verabschiedet worden. Warum gerade Lehrer? Stimmt, Bankmanager hätten es auch getan, aber es sind halt Lehrer geworden.
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Mittwoch, 26. März 2014

Elfmeter (zweiter Teil)



Also gut! Ich bin gebeten worden, die ganze Geschichte zu veröffentlichen. Immer diese Anfänge, das sei ja furchtbar. Wäre so, als ob man Kind einmal am Eis lecken ließe und es dann wegnähme. Hier also ein weiterer Teil der Geschichte: „Elfmeter”.
Zweiter Teil der Geschichte „Elfmeter”
aus: Nacktes Entsetzen (9 Geschichten)
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Dort war auch schon der Punkt, nicht mehr weiß und rund, nur noch ein dreckiger Fleck nach elf Schüssen. Der Torhüter schlug klatschend die Hände zusammen. Nein, das Tor war nicht klein, es war groß, klein war der Torwart, nicht groß. Er blickte dem Faxenmacher in die Augen und empfand leichten Schwindel. Die Masse auf der Tribüne verlaufende Farbe. Er blickte zurück. Da hinten standen sie in einer Reihe, Arme über Schultern. Es ging um Millionen für ihn und für die dahinten. Und es ging um sein Land. Um die Ehre, jetzt nur nicht laut lachen. Nein, jetzt geht es um mich, um Treffen oder Verschießen, um Sieg oder Niederlage, du oder ich. Er musste treffen, Heike saß auf der Tribüne mit seinem Sohn. Er nahm den Ball, drückte ihn gegen seine Brust und legte ihn in die Mitte des dreckigen Flecks. Nein, zu tief, will nicht in die Erde hacken. Er rückte den Ball einen Zentimeter nach rechts. Ja, liegt nun ideal. Moment, die flache Stelle ist besser. Wieder bückte er sich und legte den Ball nun auf den vorderen Rand des Elfmeterpunktes. Bescheuerter Schiedsrichter, rollte mit seinem rüden Stiefel den Ball einfach zurück, ohne sich weiter um seine Lage zu kümmern. Also noch mal. Abermals legte er den Ball auf die plane Stelle und streichelte ihn zum vierten Mal, nur verstohlener. Immer sachte, dann klappt’s. Schon wieder sein Vater.
Er warf die Flasche in die Ecke des Tors und federte aus den Knien heraus hoch über die Latte greifend. Und nun noch mal das Video. Auf einem Bildschirm hinter seinen Augen sah er den Spieler anlaufen. Der Fuß des Standbeins zeigte in die linke Ecke. Und noch einmal. Dieses Mal zeigt der Fuß des Spielers in die rechte Ecke und schon ist er dort. Egal was dem da im Leben sonst noch zustoßen mochte, dieses Bild wird sich einbrennen, wie ich hier stehe, breitbeinig und grinsend, dieses immer fetter werdende X, das fast schon das ganze Tor ausfüllt. Immer wird er sich an meine Augen erinnern und an die blitzenden Pfosten, die ich schon fast greifen kann. Und an das schwarze Netz wird er sich erinnern, vielleicht sogar an die wilden Worte seines Trainers. Das sei doch keine Trauerveranstaltung, welcher Idiot von einem Funktionär auf die Idee gekommen sei, schwarze Netze hinter die Tore zu hängen. Und nun bin ich die behände Spinne, die ihr undurchlässiges Netz zwischen die beiden Pfosten gespannt hat, unsichtbar. Da, er hat es erspäht. Nur ganz oben rechts im Winkel habe ich ihm eine Lücke gelassen. Mein Angebot. Wo wäre sonst der Spaß?
Immer wird er sich an meine Riesenhände erinnern und die roten Schuhe und die Blutschramme auf meiner Wange und an das Tosen danach. Er begreift meine Ruhe nicht. Ja wie auch! Wie könnte der Versager ahnen, dass ich seinen künftigen Albtraum kenne?
Fortsetzung folgt morgen

Curry, Senf und Ketchup — Friedrich Wulf
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Dienstag, 25. März 2014

Anfang der Geschichte „Elfmeter"


aus: Nacktes Entsetzen (9 Geschichten)
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Das hatte jetzt alles keine Bedeutung für ihn: die Blicke seiner Mannschaftskameraden im Nacken, das silbrige Rechteck, der Flieger am Nachthimmel über dem Tribünendach, die Anfeuerungsrufe, das anschwellende Buhen der Gegner, die gähnende Hitze in der Stadionschüssel und auch nicht die Gestalt dort im Tor. Nun palaverten die Reporter über den langen Weg, doch kurz war der Weg vom Mittelkreis bis zum Elfmeterpunkt. Ihr fiebert im Wahn, ihr da oben und ihr Millionen vor den Fernsehschirmen. Alle meinen dieser Gang sei etwas Besonderes. Aber er spulte doch nur dieses Programm ab, alles war komplett automatisiert. Die fürchterlichen Möglichkeiten existieren nur in euren Köpfen. Nicht in meinem. Dichtmachen, überhaupt nichts mehr mitbekommen, egal ob sie anfeuern oder ausbuhen. Auch nicht die Faxen des Torhüters. Mach du nur deinen Hampelmann auf der Torlinie. Er marschierte mit leichten Schritten und erhobenem Kopf. Sein Mund war trocken nach dem Spiel und elf Strafstößen. Er saugte Spucke tief aus der Kehle. Dieser eine Schuss wog mehr als sämtliche Schüsse zuvor. Sieg oder Niederlage. Er merkte gar nicht, dass er weiterging, war überrascht, ungläubig. Die Beine taten ihre Schuldigkeit, seine Gedanken zurück in die Kindheit. Elfmeterschießen. Kein Blick zu seinem Vater am Spielfeldrand und doch hörte er ihn: Verantwortung übernehmen. Wenn nicht du, wer dann? Deswegen hatte er geschossen, wie er in wenigen Sekunden schießen würde. Mit seiner Rechten verscheuchte er eine Mücke. Es gab Menschen, die dachten Fußball sei eine Frage von Leben und Tod. War in Wirklichkeit natürlich wichtiger.
Gelassen, ruhig durchatmend, sprang er in eine leichte Grätsche, schwang beide Arme seitlich hoch und klatschte über dem Kopf in die Hände. Nur locker bleiben. Zwei von Fünfen hatte er schon gehalten. Nun den dritten und die Sache war gebongt. Verlieren konnte er nicht, nicht beim Elfmeterschießen. Kenner und Fußballkäuze meinten der Torwart stecke dabei im dicksten Schlamassel. Tat er nicht. „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“, gab es die wirklich? Der Schütze hatte Angst, nicht der Tormann. Schulde ihm einen Teil meines Ansehens, dem arglosen Schreiberling. Kennt ja nur den kleinen Applaus von Gehemmten. Weiß nichts vom Glücksgefühl, wenn nach dem gelungenen Sprung in die Ecke das Stadion überschäumt. Wenn er den Ball aus dem Winkel fischte, war er der Held, und Held war er selbst dann, wenn der Schütze den Ball in die Wolken wuchtete. Er konnte sogar in die falsche Ecke hechten und wurde noch immer nicht als Versager beschimpft in diesem ungleichen Zweikampf. Eigentlich flog der Ball viel zu schnell fürs menschliche Reaktionsvermögen. Seinen Flug zu stoppen, bevor das hilfreiche Netz ihm die Aufgabe abnahm, war nicht nur eine Anomalie, sondern eine ganz normale Unwahrscheinlichkeit. Wie die Liebe! He, ihr da oben im Oberstübchen, Ruhe jetzt, hört auf zu zwitschern. Da schleppt er sich zum Elfmeterpunkt, wedelt er sich auch noch Luft zu. Sie hatten keine Chance, hatten schon mit der Reihenfolge der Schützen einen Fehler gemacht.
Die letzte Lektion
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Montag, 24. März 2014

Anfang der Geschichte „Zigarettengeld“




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Ich sollte mit dem Rauchen aufhören. Ich weiß, dass ich es sollte. Auch wenn ich die pädagogisch wertvollen Nachrichten übers Rauchen nicht mehr lese, ist gut möglich, dass es böse enden wird. Ich meine, das tut es sowieso, aber… Ach was!
Schließlich, wer wollte die erfreulichen Wirkungen leugnen? Gerade heute hat es doch etwas äußerst Soziales bekommen. Ja, Rauchen fördert den Gemeinschaftsgeist.. Damit meine ich nicht die Zigarette danach. Nein, Rauchen war schon immer sozial, eine Vollzeitbeschäftigung auf Partys und beim Bechern in der Kneipe. Mit einem Wort, es war schon immer etwas für freie Geister und Hedonisten. Mal ehrlich, ohne Zigaretten wäre das Leben doch ein Irrtum, oder?
Es hat heute allerdings eine ganz neue Dimension bekommen, das Rauchen. Ich spreche von all den Rauchern, die sich in Eingängen treffen, draußen vor den Unis, Fabriken und Bürogebäuden. Seit wir aus dem Innern verbannt wurden, sind die Orte begehrt wie ein Platz in Bayreuth beim ollen Wagner. Hier wie dort geschlossene Gesellschaft, wir eben draußen.
Nun, diejenigen von uns, die nicht nachgeben, die Widerstand leisten, die weitermachen, sind in diesen tristen Zeiten eben dazu verdammt, sich zusammenzurotten. Wer gemeinsam in Wind und Wetter Kringel bläst, hält auch sonst zusammen. Einzelne Beschwerden werden ja nicht ernst genommen, aber zusammen könnten unsere Klagen in einer toleranteren Zukunft vielleicht… Ich meine, wenn der Zeitgeist wenigsten irgendwie gerecht wäre. Fette Menschen werden schließlich auch nicht zum Essen in den Regen geschickt. Und Idioten werden nicht genötigt, ihren Schwachsinn im Freien zu machen. Ja, nicht einmal Stinker werden an die frische Luft gesetzt, damit sie ihre Achseln lüften.
Aber wir in den Eingängen sind gesellig, nicht die da drinnen, das sind Miesepeter und Griesgrame. Ich kenne Leute, die deswegen so tun, als wären sie Raucher. Nicht, dass ich meine, einen direkten Zugang zur Wahrheit zu haben, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass meine Beobachtungen richtig sind.
So, jetzt aber das Entscheidende. Wir Raucher sehen Dinge, die früher einfach nicht gesehen wurden. Wir können gar nicht anders, als zu sehen, was nicht bemerkt wurde, weil keiner draußen war. Ich bin kein Philosoph, auch Manni nicht, nur Kettenraucher, aber manchmal nach zehn oder so kontemplativen Zügen sagt er Sachen wie: „Wir erschaffen eine ganz neue Wirklichkeit.“ Mein lieber Manni. Dann schweigt er wieder für die nächsten zehn oder zwanzig Zigaretten. So was gehört in Marmor gemeißelt: „Wir erschaffen eine ganz neue Wirklichkeit.“
Wir fertigen Lederwaren bei der Firma Lafette, eigentlich nur noch Handtaschen. Früher produzierten wir alles Mögliche, aber bei den wirtschaftlichen Aufs und Abs müsse man auf den Markt reagieren, sagt Albert unser Chef und so spezialisierten wir uns auf Handtaschen. Keine ausgebeulten Beutel für Hausfrauen, die darin ihren Krempel spazieren tragen. Uns findet man im obersten Marktsegment, ganz, ganz oben. Wir machen Accessoires für die Berühmten und Beklatschten, manche sind so vornehm, dass ich noch nie von ihnen gehört habe. Unsere Taschen sind handgemacht, edelste Materialien. Ein Drittel unseres Ausstoßes besteht aus individuellen Aufträgen. Der Rest ist Serienfertigung, aber natürlich Topqualität für erste Adressen an der Fifth Avenue oder der Westernstraße in Paderborn. Achtunddreißig sind wir in der Produktion. Nur Frauen.
Edith erzählte, früher habe der Chef nur in der Produktionshalle das Rauchen nicht erlaubt wegen des leicht entzündlichen Zeugs — Samt und Seide. Aber in der Kantine habe man qualmen können. Doch das war vor dem Umzug der Firma; hier draußen haben wir ja keine Kantine mehr. Wenn du dir nichts mitgebracht hast, kannst du dir was von einer Frittenbude holen, es sei denn, du bevorzugst Genießbares und fährst in die Stadt. Manni schüttelt sich jedes Mal wie ein Hund, der gerade aus einem Tümpel kommt, wenn einer von uns mit einer Bratwurst auftaucht. Er nennt die Dinger nur „emulgierte Hochfett-Innereien-Rollen“. Damit er die fettige Innereien-Rolle nicht auch noch riechen muss, zündet er sich die nächste Zigarette an. Übrigens nur eine von uns achtunddreißig in der Produktion macht die Fahrt in die Stadt regelmäßig.
Lafette ist Alberts Leib und Seele. Wir respektieren ihn für sein Engagement. Macht ihn jedoch nicht sympathischer. Aber immerhin, die Firma existiert wenigstens noch, auch wenn es mal sechsundneunzig und nicht achtunddreißig waren. Edith war Raucherin wie ich und musste sich ein halbes Dutzend Mal kasteien, bis es dann doch klappte. Damals gab es viel mehr Raucher, jetzt sind es nur noch drei unter den achtunddreißig und natürlich Friedhelm. Aber wir drei treffen uns mit den Gärtnern von gegenüber und denen vom Möbellager, den Teppichleuten und den, mh, machen was mit Computern. Alle Raucher in diesem Teil des Technologieparks stehen zusammen und rauchen. Wie schon gesagt, ist geselliger als je zuvor. Wir haben eine Menge Spaß.
Ganz anders ist es drinnen, ist dort ungeselliger als je zuvor. Albert war nie ein lockerer Typ, aber jetzt ist er komplett meschugge. Er hat nämlich bemerkt, dass jemand stibitzt. Taschen aus der Serienfertigung verschwinden. Die ersten Taschen sind abhandengekommen, als er im Juni im Urlaub war. Ist jetzt dreieinhalb Monate her. Nicht viele Taschen, es gibt ja keine Massenproduktion. Aber immerhin so viele, dass er es bemerkt hat. Deswegen gibt es keine erhebliche Delle im Profit, wohl aber eine Beule in Alberts Stimmung. Er macht Randale, schon die ganze Woche.

Sonntag, 23. März 2014

Anfang der Geschichte „Die Lesung“




Nacktes Entsetzen (9 Geschichten)
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Martins Schreibgruppe hatte einen ganz außergewöhnlichen Coup gelandet. G. L. Wohmann hatte zugesagt, aus dem neusten Roman zu lesen. Angesehener Autor, überwältigendes Interesse. Martin rieb sich die Hände, tanzte um ein imaginäres goldenes Buch und kannte nur noch eine Silbe: „Ja, ja, ja!“ Und mich bat er, den legendären Autor vom Bahnhof abzuholen.
Es gab da nur dieses Problemchen, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, wie er aussah. Für solche Schwierigkeiten hatte ich immer ein probates Mittel parat und fragte mich, was hätte Mr. Bean an meiner Stelle gemacht? Doch bevor er mich inspirieren konnte, fuhr der Intercity aus Frankfurt auch schon ein. Vielleicht sollte ich Martin anrufen. War ja keine Schande, nicht alles zu wissen, diese kleine Lücke in meinen Kenntnissen zuzugeben. War aber leider nicht mehr möglich. Meine verfluchte Schwärmerei hatte mir dieses Malheur eingebrockt. Ich sofort losgebrabbelt: „G. L. Wohmann — genialer Stil, bin großer Liebhaber!“ Und immer so weiter getönt: „Genauso groß wie Günter Grass, vielleicht sogar bedeutender.“ Ich fühlte mich zumindest in meiner Annahme sicher, dass G. L. Wohmann ein talentierter Autor sein musste, wenn Martin derart aus dem Häuschen geraten konnte. Aber sonst hatte ich keine Ahnung und schon seufzte der Zug ein letztes Mal und stand still.
Ein gutes Hirn arbeitet schnell in solchen Situationen. Und von einem amerikanischen Self-Help-Guru hatte ich gelernt, immer 80 Prozent auf die Lösung eines Problems zu verwenden. Was man mit den übrigen 20 Prozent machen soll, ist mir entfallen. Wie sieht ein Autor aus? Ich war kein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet. Aber eines war völlig klar, er wäre besoffen. Hemingway war es, Fallada war es, Dylan Thomas war es. Das war nicht allzu viel, aber immerhin eine solide Basis für meine Suche, während die Passagiere an mir vorbeigingen und zügig zum Ausgang strebten. Alles, was ich tun musste, war auf den Betrunkenen zu achten, der nicht wusste wohin.
Der Bahnsteig leerte sich. Seltsam! Übrig blieb eine einzelne Frau. Aus ihrem schwarzen Schopf leuchtete ein käsiges Gesicht. Schwarze Jacke, schwarzer Rock, eine verspätete Existentialistin. Wartete wahrscheinlich auf ihren Ehemann, während ich vor mich hinpfiff, auf die Uhr schaute und in den Taschen meiner Hose herumfingerte. Die Frau sah angespannt aus, aufgeregt, trippelte auf und ab. Dann durchwühlte sie ihre Handtasche und ein Buch kam zum Vorschein. Das war gespenstisch. Das Buch war von niemand anderem als vom großen G. L. Wohmann höchstpersönlich. Welch ein Glücksfall! Ich wollte sie gerade fragen, ob sie eine Ahnung habe, wie er aussähe, als ein massiger Mann aus dem Zug torkelte und in die Sonne blinzelte. Hut schief, Hemdzipfel aus der Hose, die Aktentasche kopfüber auf den Bahnsteig purzelnd, sang G. L. Wohmann aus vollem Halse: „Junge, komm bald wieder, komm bald wieder…“ Das nenne ich einen Schriftsteller!

Samstag, 22. März 2014

Anfang der Geschichte „Libellenrad“



Anfang der Geschichte „Libellenrad“
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Diese Reisen waren öde, eine lästige Pflicht, gäbe es da nicht gewisse Freuden und Freiheiten, dachte Alex Zacharias. Gestern in Dortmund und heute in dieser Drewermann-Stadt. Paderborn.
Die Frau des Gastgebers, eine dralle Vierzigjährige, hieß ihn willkommen wie einen Vertrauten: links und rechts ein allerzartestes Berühren der Wangen.
Nicht weniger herzlich waren die einführenden Worte ihres Gatten, der aus hochgewölbten Schultern seinen Kopf am mageren Hals pendeln ließ: „Meine Damen und Herren, wir haben das Glück…“ Wie eine Schildkröte, dachte Alex und war glücklich über das Glück, dass die Besucher an ihm haben würden.
Brausend, ach was, schlichtweg angemessen, war der Beifall aus den Reihen und von den Stufen, keine Spur von ostwestfälischer Schwere. Sein Blick wanderte über die leuchtenden Gesichter. Landpomeranze, nicht schlecht, jung. Muskulöse Arme, wohl vom Eisenmelken.
Nach der Veranstaltung ging es zu einem Teueritaliener. Ein kurzes in die Querekommen, ein Schrittchen nach links und die Platzverteilung war geregelt. Alex saß neben der Gastgeberin im Wagen und erschnüffelte in ihrem Parfüm einen Hauch von Frechheit. Nie war er kribbliger als nach den Auftritten am Abend und so erschien ihm nichts angemessener als die Abrundung seines Tages in der flüchtigen Begegnung mit einer geschmeidigen Fremden. Spieglein, Spieglein unter der Decke, wer ist der Übermütigste im ganzen Land?
Zuhause erschienen ihm die Frauen als -, na als was? Kannst ruhig ehrlich sein, bist hier ja allein mit dir in deinem Kopf. Na als was? Als Frauen eben. Warst auch schon mal kühner. Und woanders? Bin ich verflucht leicht entflammbar.
Sicher Manuela war schön wie am ersten Tag, wie vor zwölf Jahren. Und noch immer reizvoll? Aber ja! Doch ihre Schönheit überfiel ihn nicht mehr, war zum bloßen Wissen verwelkt, kein Schlag mehr in den Solarplexus.
Schon als Kind hatte es ihm woanders besser geschmeckt als zu Hause. Du änderst dich nie, als Mann noch immer der Junge, nur der Gaumen ist nicht mehr dein biologisches Zentrum.
Alex tunkte seine Nase zweimal ins Glas, schlürfte einen Schluck Rotwein schnalzte und schmatzte, dass es eine Wonne war, ohne sich um die grimassierenden Gesichter zu kümmern. Drei Augenbrauenpaare näherten sich dem Haaransatz, zwei vereinten sich über der Nasenwurzel und Augen sprachen zu Augen: welch ein Affe! Endlich, das letzte von zweiundfünfzig Aromen, eine Anwehung von Brombeere, war erschlürft, nickte Alex dem Kellner zu.
Manuela war unübertrefflich darin, ihm den Alltag vom Hals zu halten, erledigte die Korrespondenz und wusste zum Essen den richtigen Wein zu wählen.
Zwei Stunden spielte er mit, scherzte und plauderte und hatte offene Ohren fürs Geschwätz. Die Anekdote, als er im Winter unter Lebensgefahr in die Moldau springen musste, fand immer Beifall.
„Ich also im letzten Augenblick auf die Brüstung der Karlsbrücke und dann runter ins eisige Wasser. War nur noch eine Rüssellänge entfernt der Elefant. “ Wenn sie wissen wollten, woher der Elefant kam, erfand er eine neue Geschichte, sei samt Zirkusdirektor geflohen, der in Wirklichkeit ein Mädchenhändler gewesen sei.
Drei oder vier Begleiter waren achtsam genug sein fingiertes Gähnen als Zeichen zu nehmen. Gut so. „Eine gelungene Veranstaltung.“ „Aber ja, jederzeit wieder, ciao!“
Was blieb ihm übrig, wenn er nicht vor den Kopf stoßen wollte, die Fragen mussten beantwortet werden. Unter den Antworten konnte er auswählen, ohne nachdenken zu müssen und je jünger die Fragestellerin, desto provokanter seine Thesen: „Niemand wird jemals klüger!“ Jeder widersprach, niemand überprüfte den Satz an sich selbst.
Da sage einer, was er will, die Nächte ohne handfeste Begegnung waren verlorene Nächte. Gut so, sie zwinkert dir zu. Oh, mach weiter blinzelnde Libelle, auch wenn du mich nicht meinst. Blinzle weiter! Lass sie hängen! Eine Strähne hatte sich in der Wimper verfangen, zwinkre weiter, streich sie nicht zurück! Den Rest werde ich vergessen, aber nicht diesen Augenblick. Deine Augen matt oder glühend, grün oder schwarz, die glänzenden Lippen, alles verkümmert zum leeren Schön. Nicht die Strähne in deiner Wimper. Gutes Zeichen, ihre Finger zupfen zurecht, was deine Augen berühren. Nun zupfe den Träger zurecht. Gut so! Erleben ist ein Erdichten.
Taten ohne Täter
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Freitag, 21. März 2014

Anfang der Geschichte „Jakobs Prophezeiung“


Nacktes Entsetzen (9 Geschichten)
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Anfang der Geschichte „Jakobs Prophezeiung“
Seit seiner Kindheit schlief Kevin Muthart mit brennender Lampe, aber nicht, damit seine Augen bis zum Einschlafen ihr tastendes Spiel auf dem Rücken der Dinge spielen konnten. Die Wahrheit war schlicht: er fürchtete sich in der Dunkelheit. Kevin erkannte die Verrücktheit seiner geistigen Verfassung, war aber nicht in der Lage etwas daran zu ändern.
Todesbereitschaft hatte ihn gepackt, wenn seine Mutter das Märchenbuch zuklappte und das Licht löschen wollte. Ein Junge biss die Zähne zusammen, aber wenn das Licht ausging, lösten sich aus hundert Ecken des Raumes gespenstische Schatten: Vampire, Wölfe und der schwarze Mann.
Das Bett über den Kopf gezogen und eingerollt, wartete er, dass sie zupacken würden, ihm Zähne und Klauen ins weiche weiße Fleisch schlugen und in die Hölle zerrten, auch der Himmel war kein geheurer Ort. Mit einem Wort, er fürchtete sich so sehr vor dem Tod, dass er in der Dunkelheit bis zur Erschöpfung bibberte, bevor er wegsackte.
An seinem fünften Geburtstag bekam seine Neigung zur Ängstlichkeit einen weiteren Schub. Seinen Vetter Jakob, der immer zu Schabernack aufgelegt war, hatte Kevin gebeten, ihm seine neusten Zaubertricks zu zeigen. Dass er ihm mit langen geschickten Fingern die Nase schwupp die wupp aus dem Gesicht pflückte, machte ihm keine Angst mehr. Wenn er später in den Spiegel kuckte, war sie immer wieder am rechten Ort.
An diesem Junitag, Kevin hörte bis zum heutigen Tag die schrillen Schreie der Mauersegler, kam Jakob mit einer Überraschung. Er hatte nämlich Unterricht genommen bei der Wahrsagerin Mathilde Matterhorn und nichts Eiligeres zu tun, als Kevin von seiner Kunst ein Kostpröbchen zu geben. Mit einer Art Okular blickte er Kevin in die Augen, zuerst stumm und dann beredt ohne Verständliches zu reden:
„Oh, uhu, haaa, uijuijui, nee, der Hase schlägt Haken, Mensch, Mensch Mensch, wer hätte das gedacht!“
„Was ist denn“, fragte Kevin.
„Moment, da ist noch was in der Iris“, sagte Jakob.
„Ist es schlimm?“, fragte Kevin.
„Ich fange mal mit dem Schönen an“, sagte Jakob. „Wie lange du lebst.“
„Nein, nein, will ich nicht, nicht wissen!“
„Gut, dann sage ich es dir“, sagte Jakob. „Es sind 10 x 5 Jahre. In dem Jahr kommst du in den Himmel oder in die Hölle.“
Kevin überlegte, jetzt war er fünf und dann noch zehn mal davon, das war nicht lange. Melanie war zehn Jahre alt, sie war noch nicht alt und dann noch fünf. Er wollte aber nicht tot sein mit 10 und noch mal 5 Jahren. Er schluckte vergeblich, drehte die Augen zum Himmel, in den blauen Tränen flappten hilflose Mauersegler, kullerten stumm die Backen hinunter. „Ich wollte es nicht wissen“, sagte er und dann immer wieder ganz leise zu sich selbst.
Kevin hatte keine Ohren für Jakobs Beteuerungen, er habe ihm nur einen Streich spielen wollen, was ganz Harmloses, genau so harmlos wie das wandernde Portmonee an der unsichtbaren Schnur.
„Das hat dir doch gefallen“, sagte Jakob. „Du wolltest es immer wieder spielen. Ist doch nur ein Streich gewesen, ich kann doch gar nicht vorhersagen, niemand kann in die Zukunft blicken.“
Aber das wusste Kevin besser. Hexen konnten hellsehen und Zauberer konnten zaubern und Jakob war ein Zauberer und hatte bei Mathilde Matterhorn einen Kurs besucht, also konnte er auch sagen, was die Zukunft brachte.
Und außerdem hatte er angekündigt, dass Kevin von Tante Lilli eine elektrische Orgel bekommen würde. Und das stimmte doch.
Nach und nach beruhigte Kevin sich wieder, das Staunen über die bunte Vielfalt der Welt, über Schmetterlinge, Bachstelzen und Schneemänner schliff die scharfen Ränder der Prophezeiung rund.
Es war im zweiten Schuljahr, dass die Erinnerung an jene Prophezeiung erneut aufblitzte. Das kleine Einmaleins stand auf dem Plan und 10 mal 5 machte 50. Das war viel, eine unüberschaubar lange Zeit, schon die Sommerferien waren so unendlich lang beim Kaulquappen fangen, gläservoll. Und die älteren Jungen kitzelten Forellen aus ihren Böschungsverstecken. Oh, wie sie in den Händen zappelten, bis ein gnädiger Knüppel ihre Seelen erlöste.
Nur selten wurde er seither nicht vom Gedanken an den Tod geplagt. Kevin gehörte zu den schwermütigen Menschen, denen auf Schritt und Tritt der knochige Begleiter die Sinne lenkte. Woran sonst als an den Tod sollte er denken beim Anblick eines Kreuzes, einer Kerze, einer Seifenblase, eines Flusses, eines blutigen Steaks, beim Klang einer Melodie oder auf dem Gipfel eines Orgasmus.
Dennoch behinderte ihn die Vorhersage bis zum fünfzigsten Lebensjahr nicht sonderlich. Er begann mit dem Studium der Philosophie, schrieb die Musik für einen Tatort, wurde von der Werbebranche entdeckt, komponierte Jingles am Band und lebte gut dabei.
Wenn er sich an Jakobs Prophezeiung erinnerte, zuckte er mit den Schultern und hatte meist etwas anderes zu tun, eine Frau zu lieben oder noch schnell einen Werbespot zu komponieren. Bis zu jenem Sonntag im Mai.
Er hatte nicht ergründen können, welche geheime Assoziation vom gestrigen Feuerwerk zur Voraussage des Vetters geführt hatte. Vielleicht das Feuerwerk als Symbol für die Einheit von Schönheit und Tod. Aufsprühende Lichtblumen, kaum da und schon verpufft.
Seit jener Nacht war die Erinnerung an die Todesformel hellwach. Unerbittlich näherte sich der bestimmte Tag dem Echo aus der Kindheit: „Es sind 10 x 5 Jahre genau.“
Die 50 füllte seinen Horizont komplett, kaum noch ein anderes Thema in seinem Kopf. Jeder Schwingsessel eine fünf und jeder Knopf eine Null, wohin er schaute, eine fünf war schon da. Seine Hände hielt er nur noch geballt, bis er in der Faust eine Null sah, hielt die Hände dann grotesk verdreht, bis auch die Form ihn an nichts anderes erinnerte als ans Ende.


Die letzte Lektion
Der Mörder wartet nicht, bis ein Lehrer aufzeigt. Im Nu sind einige Lehrer in die ewigen Ferien verabschiedet worden. Warum gerade Lehrer? Stimmt, Bankmanager hätten es auch getan, aber es sind halt Lehrer geworden.
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Donnerstag, 20. März 2014

Indie-Autor-Preisträger mit Schmetterlingen im Bauch


Viele Autoren versuchen mit den Mitteln der Marketingkunst ihre E-Books unters Volk zu bringen, aber nur wenigen gelingt es erfolgreich.
Dem Preisträger des Indie-Autor-Preises scheint es gelungen zu sein, denn 25000 Verkäufe machen neidisch. Aber nein, ich gönne dem Autor seinen Erfolg. 
Wäre hilfreich zu wissen, wie die Anteile am Erfolg verteilt sind. Ist es die Werbung oder die Qualität des Werkes?
Ich schätze ich muss es einfach lesen.
Aber da lese ich den Klappentext und weiß, dass ich den Roman nicht lesen kann, denn das Genre ist nicht nach meinem Geschmack.
Und während ich den Klappentext lese, bekomme ich zuerst einen Schock und gleichzeitig einen Schweißausbruch.
Noch bei angespanntester Aufmerksamkeit ist wohl kaum jemand davor gefeit, dass Klischees in seine Texte fließen. Und gefeit ist man auch nicht gegen die Benutzung schwacher oder verschwommener Bilder oder falscher Bilder. Aber manche Bilder kann man doch nicht mehr benutzen, oder? So wirbt der Klappentext mit einem tausendmal benutzten Bild: „Schmetterlinge im Bauch“.
Mir jedenfalls bereiten sie Übelkeit die berüchtigten „Schmetterlinge im Bauch”. Einverstanden, dem Erfinder ist ein eindrucksvolles Bild gelungen. Aber es hat längst seinen letzten Atemzug getan und gehört aufgespießt wie ein Schmetterling, der seine Zeit hatte und nun als kurioses Ausstellungsstück noch erfreuen kann.
Das Bild ist abgegriffen und nur noch tauglich ästhetisches Unbehagen zu erzeugen.
Tut mir leid, aber das musste ich loswerden.
http://www.indie-autor-preis.de/die-preistraeger.html

Curry, Senf und Ketchup - Friedrich Wulf
Kommissar Max Berger muss einen ersten Mord lösen, zu dem es viele Zeugen, aber weder Spuren noch Motive gibt. Prof. Liedvogel ist während einer Vorlesung erschossen worden. Der zweite Mord ist grässlicher und führt Berger in die Skinhead-Szene.
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Mittwoch, 19. März 2014

Anfang der Geschichte „Vollendetes Glück“




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Anfang der Geschichte „Vollendetes Glück

In der Ferne eine flackernde Laterne. Jetzt gibt sie auf, hat den Kampf verloren mit der Nacht, dachte Katharina, doch dann flammte sie wieder auf. Blödes Taxi. Seine bonbonroten Rückleuchten brannten Löcher in die spiegelnde Dunkelheit des Straßenschachts.
Auf Gummibeinen kannst du nun nach Hause wackeln.
Noch einmal leuchtete die Laterne auf, heller als zuvor. Wie tausend Sonnen, dachte sie und kicherte.
Die Dächer glitzerten im Mondlicht, silbrige Streifen und schiefe schwarze Risse. Ist wie Wassertreten auf diesen weichen Beinen. Katharina Goschel, noch Modedesignerin, doch bald Modediva, strauchelte durch die spiegelnasse Nacht.
Sie pustete eine schwarze Strähne aus ihrem linken Auge. Vergeblich. Sie fiel ins Gesicht zurück. Lächelnd ließ sie ihr den Willen, ihrer Glückssträhne.
Zuerst war es nur eine normale Mail gewesen, wie Katharina sie alle Tage bekam. Doch im Postskript steckte glückliche Sprengkraft. Benjamins Nachträge waren geschliffene Lichtstrahlen. Das erste Postskript war die banalste Formulierung, die man sich vorstellen konnte. Aber was lag an der Form, der Inhalt zählte. „Willst du mich heiraten?“, lautete die knappe Frage.
„Du spinnst“, hatte sie geantwortet. Aber dann, als sie sich trafen, war es ihm todernst. War richtig poetisch der Grund, weshalb Benjamin sie heiraten wollte. Eine Haarsträhne hatte sich kürzlich in ihrer Wimper verfangen, zuckte auf und ab mit jedem Wimpernschlag. Das war der Anlass, weshalb Benjamin, Halbgott Benjamin, sich in sie verliebt hatte. „Benjamin du spinnst“, hatte sie gelacht. Stammelte dann doch tatsächlich was von Liebe und müssten ein Ende haben diese rastlosen SMS-Nächte. Dass es wirklich vorbei sei mit Eva, die viel zu alt für ihn und zu launisch und zu unstet und zu gegenwärtig sei, verloren, für immer ein SMS-Junkie auf der Suche, ob sich nicht noch etwas Besseres fände in Nächten, die überliefen vor Geilheit und Geschwätz.
Aber Kathy du bist betrunken… Ach was, benommen vor Glück.
Diese Nächte sind nun bald vorbei, in denen du allein loszogst, denn Verabredungen gehörten zu früheren Jahrhunderten. Nur mit dem Handy bewaffnet, stürzt du in die Stadt und wartest auf den erlösenden Anruf. Dass Lena weiß, wo was los ist. Und wenn du dort bist, wartest du auf die nächste SMS, die dir von einem Ereignis berichtet, wo es gewaltig abgeht, dann aber nur noch tote Hosen herumhängen, wenn du ankommst, was nicht weiter schlimm ist, denn unterwegs in der U-Bahn hast du zwei weitere SMS bekommen. Schienen nur schwache Alternativen, aber dann retten sie dir die Nacht.
In einer Woche ist das passé, dann sind wir verheiratet und betreiben Event-Surfen nur noch aus Jux und Jokus. Ja, so soll es geschehen. Nur noch einmal im Monat zur Abwechslung vom Glück in unserer neuen Wohnung. Dableiben oder woanders hin, ist nicht mehr die Frage. Keine Suche mehr nach dem Unauffindbaren. Nur noch lange Abendessen aus Glück und Gelächter und lange Nächte, ja, auch lange Nächte, in denen wir uns kullern vor Liebe. Aufbäumen werden wir uns in spiegelbildlicher Harmonie, tief in mir sein pulsierendes Stück Glück. Sie kicherte leise: du Glücksstück.
Bist eine Romantikerin Kathy, na und, schließlich bin ich nicht nüchtern, da darf ich es doch wohl sein.
Sie erinnerte sich, wie er unter ihrem Ärmel die blasse Impfnarbe geküsst hatte. Und nun taperte sie heimwärts auf lustigen Beinen, benebelt von zu viel Glück und Tequila. Von der anderen Seite der leeren Straße klack-klackerte das Echo ihrer Schritte herüber, verstummte aber augenblicklich, als sie um die Ecke bog, wo Ceyhun wie immer mit Schürze und braunem Schädel in seiner Döner-Bude stand und ihr zurief, in einem zärtlich vogelartigem Flöten: „einen Döner, iss einen Döner gegen den Kater, Kathy.“ Es war ein Spiel.
Katharina empfand eine Art von köstlichem Mitleid mit dem Hammelfleisch und dem bonbonroten Löchern in der Dunkelheit. Ein Songfetzen waberte aus seiner Bude: „… another yellow moon has punched a hole in the night-time mist…”
Sie musste lachen, laut in den Nachthimmel lachen, als sie sich für einen Moment auf eine Bank setzte, die aus tiefem Schlaf aufschreckte. Benjamin, Benjamin, du göttlicher Wimpernschlag.
Katharina lachte noch immer leise vor sich hin, als sie die Treppen zu ihrer Wohnung hinauf stieg. Sie erreichte den Treppenabsatz, hob ihren Fuß versehentlich noch einmal, der krachend niederkam. Mit beschwipsten Fingern suchte sie nach ihrem Schlüssel in der Tasche, stapelte alles auf ihre linke Handfläche, bis ihr Handy einen Fluchtversuch unternahm und die Stufen hinunterklackerte. Kathy hielt ihren Atem an und lauschte. Sie dachte das Handy würde mit elegantem Schwung die Kurven der Treppe nehmen und den ganzen Weg hinunter rattern bis in den Eingangsflur. Aber das rhythmische Klack-Klacken stoppte abrupt. Ist auf einer Stufe liegen geblieben. Sie grinste, fasste erleichtert nach dem Geländer (der Tequila zwitscherte in ihrem Kopf) und tappte sorgfältig die Treppe hinunter, bis sie das flüchtige Ding gestellt hatte.
Oben öffnete sich die Tür zum Treppenabsatz. Sylvia, halb-nackt, mit Pfefferspray in der Hand, blinzelnd, ihre Haare ein schläfriger Sturm, kam heraus und rief laut flüsternd: „Bist du das, Kathy?“ Licht hüpfte die Treppe hinab, jeweils ein kurzes Besinnen, bevor es zum nächsten Absatz sprang.
Kathy, keuchend und froh, kletterte die Stufen wieder hinauf, dicht gefolgt von einem buckligen Schatten auf der Wand. Aber gänzlich unbemerkt von ihr, denn bekanntlich ist es immer ein schlimmes Zeichen, wenn Schatten die Treppe hochschleichen.
„Was machst du für einen Lärm“, sagte Sylvia, schon in ihrer gemeinsamen Wohnung.
„Nein, nein Sylvi…, ich bin so glücklich…“
„Wie viel hast du gehabt? Deine Hand ist dreckig…“
„…so verdammt glücklich… Ah, das tut gut…das Wasser ist freundlich und kalt. Hast du mir eigentlich schon gratuliert? Alle sind neidisch. Mehr Wasser, ich springe unter die Dusche.“
„Hast du vergessen, wie vernarrt er war in Eva, die abenteuersüchtige Eva. Sei ihr zu öde und zu eng und schon war sie weg.“
„Stopp, wen interessiert das denn? Du verstehst nichts... Wir heiraten nächste Woche...“

Taten ohne Täter


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Montag, 17. März 2014

Anfang der Geschichte „Brüder im Glück“



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Anfang der Geschichte „Brüder im Glück“
Ein himmelblauer Käfer rollt in den Hof, stoppt und röchelt heftig nachzitternd seinen Leben aus. An einer Hauswand lehnt das Skelett eines Fahrrads, darüber der Schriftzug: „Wählt…“ (unleserlich). Daneben ein Hakenkreuz, die Haken zur falschen Seite. Unter einer Dachrinne steht eine blaue Tonne, daneben hockt eine plumpe Amphore oder Urne, Moos auf der Regenseite. Ein Holunderstrauch duckt sich in eine Ecke; darunter liegt ein zusammengerolltes Seil, in dem ein schartiges Messer steckt. Unter dem Strauch steht eine weitere blaue Tonne. Wir befinden uns in einem durchschnittlich schäbigen Hinterhof, wo jahrelang nichts Besonderes passiert ist, bis jetzt, da Holger und Kevin auf ihren zierlichen Balkon treten, während Orhan Hikmet, der neue Mieter, einen Karton mit CDs aus seinem Käfer zerrt. Und schon ist Orhan auf federnden Beinen wieder beim Auto und hievt einen Monitor aus dem Wagen.
„Ein Türke“, sagte Holger. „Ein Türke“, sagte Kevin. „Mac, 21 Zoll“, sagte Holger, „das sehe ich.“ Klirren klimperte in den Hof hinunter. Orhan blickte hoch. Die Flaschenhälse verschwanden tief in den Schlünden der robusten Brüder.
Orhan Hikmet torkelte mit dem Monitor vorwärts, als hätten sie ihm heftig auf die Schulter geschlagen und verschwand in der Schwärze des Hauseingangs.
Von nebenan hörten die Brüder Polter- und Schleifgeräusche. Holger, der ältere, arbeitete als Möbelpacker, hatte ein rötliches Gesicht und einen schrankartigen Oberkörper auf lächerlichen Beinchen.
Sein Bruder Kevin war momentan arbeitslos (all die Ausländer), aber keineswegs entmutigt. So blieb ihm viel Zeit seinen Körper zu ertüchtigen, den er einsetzen würde wie Rambo, wenn es in Deutschland zum finalen Aufräumen kam. Dann gab es wieder ehrliche Arbeit für ehrliche Deutsche. Und Bier, Bier für alle.
Noch während sie das Hakenkreuz an die Wand gemalt hatten, hatte Kevin ein komisches Gefühl, als er zurücktrat und ihr Werk bewunderte. „Das gefällt mir nicht“, sagte er zu seinem Bruder. „Ist doch saustark“, sagte Holger. Zwei Wochen später hatte Kevin den Grund gefunden für sein seltsames Gefühl. Aber bringen wir seine Beschreibung hinter uns. Wühlende Akne hatte Narben in seinem Gesicht hinterlassen, auf der Oberlippe trug er ein scharfgestutztes Bärtchen. Dies wussten Kevin und Holger genau: Ohne Ausländer wäre Deutschland das Paradies. Prost!
Wenn sein Bruder arbeitete, stemmte Kevin Hanteln, presste mit seinen Beinen tonnenschweres Eisen oder blähte seine Brust auf an der Butterflymaschine. Leider gab es jetzt diese Störung im Fließen des brüderlichen Lebens. In dem Augenblick, wo der Wagen in den Hof gefahren war, hatte Orhan Hikmet bei den Brüdern eine Mischung aus Neugier und Irritation ausgelöst.
Wie andere Menschen auch trug Orhan Hikmet seine Nase mitten im Gesicht, doch ihre unfehlbare Intuition flüsterte den Brüdern ein, dass sie es hier mit jemandem zu tun hatten, der anders war, anders als andere Leute. Seine Augen waren so dunkel wie seine Haare und irgendwie unstet schienen die Augen immerzu auf der Suche zu sein. Ein ungemütlicher Patron, der leichtfüßig daher trippelte und „wie eine Ratte so schnell in seine Wohnhöhle huscht“, meinte Kevin. „Das lächerlich weiße Strickmützchen auf seinem Schädel, damit will er uns doch verarschen“, sagte Holger. Weil Orhan Hikmet zu den unmöglichsten Zeiten ausging und wieder heimkam, alles völlig unvorhersehbar, meinten sie etwas tun zu müssen.
An einem der ersten Tage nach dem Einzug hatte Kevin ihn auf einer Parkbank gesehen mit dieser Zeitung. „Wie heißt sie noch? Steckt immer ein kluger Kopf dahinter. Damit werben sie für die Zeitung. Holger, ich sag dir eins, der will provozieren, der braucht mal was auf die Mütze.“
Sie bemerkten weitere abnorme Verhaltensweisen. Praktisch die ganze Nacht hindurch brannte Licht in seiner Wohnung. Und ungesellig war er. Ein Türke, aber ungesellig. Wenn das nicht verdächtig war, höchst verdächtig!
„Er will uns ärgern“, sagte Holger. „Sage ich doch“, sagte Kevin. „Er soll in der Türkei wieder Hühner hüten.“ „Wir sollten ihn uns mal genauer ansehen“, sagte Holger.
„Wer ist da?“, fragte Orhan Hikmet durch die Tür. „Nachbarn, nur die Nachbarn“, antworteten Kevin und Holger.
Die Nachbarn drängten herein und schauten sich neugierig um. Ein Teller mit einem verschrumpelten Pizzakeil stand auf dem Tisch neben einem Haufen von Büchern, von denen eines aufgeschlagen war und ein Flugzeug zeigte oder einen ganzen Flughafen oder so.
„Wir sollten uns kennenlernen“, brummten die Brüder. „Die Leute leben Tür an Tür und kennen sich nicht. Wenn erst die Maden in deiner stinkenden Leiche wimmeln, ist es zu spät“. Holger lachte. Für den enormen Hohlraum in seiner Brust war sein Lachen überraschend hochtönend. Orhan Hikmets Schreibtisch teilten sich Mac, Maus und Tastatur. Sonst nichts, keine Glasringe, kein Staub, keine Wasserpfeife, sehr verdächtig eben.
„Ich bin erfreut“, sagte Orhan Hikmet. Er setzte sich auf die Stuhlkante und wippte mit den Beinen.
„Hast du gepennt?“, fragte Kevin mit beunruhigender Freundlichkeit. „Wir kommen doch nicht ungelegen?“